europAMICI di ANGELO BRANDUARDI



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ANGELO BRANDUARDI
"Ich bin ein 500 Jahre altes Kind"

Interview vom 9. November 2004: Theater Manzoni, Busto Arsizio (Varese)

FRANZISKUS – DIE LAUDA
(LAUDA = ein vom 13. bis 17. Jh. in Italien gepflegter geistlicher Lobgesang)

Du warst Schauspieler in „State Buoni Se Potete“ (Himmel und Hölle), Erzähler im „Karneval der Tiere“ von Camille Saint-Saëns sowie in „Peter und der Wolf“ von Prokoviev und Du schriebst die Musik zu „Il Viaggio Incantato“ (Die verzauberte Reise). (- Ja, die Marionetten.) Halfen Dir diese Erfahrungen, Dich dieser Lauda anzunähern?
- Oh, ja! Ja sicher, besonders weil die Lauda, auch wenn es eine Ausdrucksart aus dem 13ten Jahrhundert ist, in der Tat dem Kino viel näher ist als dem Theater. Denn in der Lauda es ist üblich, dass der Minnesänger auf der Bühne steht und es gibt Unterschiede zu dem, was sich zur gleichen Zeit abspielt, genau wie im Kino, mehr als im Theater, wo der Musiker verborgen ist, wo es eine Bühne hat und Leute die sprechen, Leute die zusammen spielen und über eine bestimmte Anzahl von Dingen sprechen.
Wie dem auch sei, in „State Buoni Se Potete“ war es ebenfalls die Geschichte eines Heiligen, welche einige Jahrhunderte später spielte und wo es nötig war, eine spannende Handlung für das Publikum zu suchen, weil es in einem Film eine Handlung braucht. Die Geschichte muss sehr populär sein und ich glaube, dass mir dies gelungen ist. In der Geschichte „Peter und der Wolf“ ist die Tatsache entscheidend, Prokoviev gelesen zu haben, das ist eine Erfahrung, die dort endet. Ja, da ist der Erzähler, es gibt also etwas zu sehen von dem, was ich hier mache, aber es ist nicht wirklich eine Sache... und eigentlich ist „Il Viaggio Incantato“ eine ziemlich abstrakte Sache. Marionetten, vor allem so riesige Marionetten wie jene, haben eine etwas beunruhigende und sehr abstrakte Seite, daran habe ich ebenfalls gedacht, als ich die Lauda gemacht habe. Aber dort ist es wirklich sehr abstrakt und so muss es sein, denn, wenn Du eine Marionette anschaust, macht es Dir auch ein bisschen Angst, ja, es vermittelt einen sehr sonderbaren Eindruck, also musst Du etwas anderem folgen als mit Tänzern und Schauspielern.

Hat Dich die Lauda mehr Zeit gekostet, verglichen mit den Projekten, die Du bis jetzt realisiert hast? Wie hast Du die Realisierung dieser Lauda mit der Tournée „Altro ed Altrove“ vereinbart, die ebenfalls viel Zeit in Anspruch nahm?
- “Altro ed Altrove” war eine eher normale Tournée, würde ich sagen, abgesehen von der Teilnahme des Malers, aber es war eine Musiktournée. Dies hier ist es etwas ganz anderes. Ich habe viel Zeit aufgewendet und dies war richtig so, weil jetzt das Resultat mehr oder weniger endgültig ist. Während drei Monaten haben wir übrigens nichts anderes gemacht als geändert, geändert, geändert. Denn es ist nicht leicht, eine Aufführung zu inszenieren, deren Idee sehr alt ist, mit einem Geschmack, den die Leute verstehen müssen, und so hat es länger gedauert als üblich. Vor allem am Anfang war es nicht sehr klar, was man überhaupt machen wollte. Denn die Leute, welche mir diese Arbeit vorschlugen, nannten es „Musical“ und ein „Musical“ interessierte mich nicht, denn das machen ja alle. Doch als ich die Idee einer mittelalterlichen Lauda gefunden habe, wurde alles viel einfacher. Diese Idee, eine heilige Sache zu sehen, in welcher man von einem Heiligen spricht, und eine tiefe spirituelle Ausdrucksweise hat, ohne Pfarreireligion zu machen.

“Francesco” ist eine Aufführung, welche seit ihren Anfängen nicht aufhört sich weiterzuentwickeln. Ist es leicht, bei einer solchen Entwicklung eine konstante Harmonie zwischen den diversen Komponenten der Vorstellung beizubehalten?
- Gut, wenn Du das änderst..., natürlich, wenn Du eine Sache änderst, musst Du nachher auch andere ändern. Das heisst, wenn Du in einem Werk wie diesem eine Sache änderst, muss der ganze Rest geändert werden. Es bessert sich nun allmählich, aber es ist ziemlich schwierig gewesen, eine Vorlagen zu geben, welche gleichzeitig verschiedene Bedeutungen haben konnte. Wenn Du folglich die Tänzer in einer anderen Art tanzen lässt, musst Du nachher die Schauspieler ebenso auf eine andere Art sprechen lassen, weil diese Dinge auf die eine oder andere Weise miteinender verbunden sein müssen. Wenn Du die Art, wie die Heilige Klara spricht, änderst, musst Du auch die Personen ändern, welche tanzen. Alles ist verbunden, folglich war es doch ziemlich kompliziert.

Stellt diese künstlerische Zusammenarbeit mit anderen Berufen der Bühne eine neue Stufe in Deiner beruflichen Entwicklung dar oder bist Du heute einfach vielseitiger als früher?
- Nein, es ist nicht nur ein beruflicher Aspekt. Es ist eine andere Weise, sich der Musik zu nähern, also ist es ein wenig wie die gesamte Kunst, die an sich selbst eine Utopie ist. Vor allem seit ich San Francesco mache, selbst bei der Platte, ist es für mich ein bisschen kompliziert geworden, zum gewöhnlichen Lied zurückzukehren. Das ist schon mit „Altro ed Altrove“ kompliziert gewesen, weil, ich weiss nicht auf welche Weise, San Francesco ein Fixpunkt, ein neuer Abschnitt geworden ist.

Die komplexe Struktur dieser Art von Aufführung (Theater – Musik – Tanz – Erzählung), macht dies die Leitung auf der Bühne einfacher oder im Gegenteil, viel schwieriger?
- Beides gleichzeitig. Das bedeutet, da sind Rollen, für welche Du nicht verantwortlich bist, auf die eine oder andere Art. Wenn die Leute kommen, wissen sie, dass es kein Konzert ist. Aber für sie gilt, wenn der Schauspieler gut ist, dann bin ich gut. Wenn die Leute denken, der Schauspieler sei schlecht, dann bin ich schlecht. Und so ist es einfacher, aber gleichzeitig ist auch die Verantwortung grösser.

Du hast diese Lauda an sehr verschiedenen Orten aufgeführt, einige waren sehr symbolisch, andere weniger. Begegnest Du diesen verschiedenen Orten auf die gleiche Weise? Verwendet Ihr die gleiche technische Logistik wie bei Deinen Konzerten?
- Nein, das sind mehrere Dinge. Heute, zum Beispiel, ist es ziemlich klein (Theater Manzoni), daher muss man das auf eine andere Art arrangieren als für ein normales Konzert, weil man es so machen muss, dass auf einem so kleinen Platz wie diesem die Proportionen noch eingehalten werden. Deshalb ist es immer ein bisschen kompliziert, den Ort zu wechseln. Es gibt Orte, welche perfekt zu diesem Thema passen, es gibt andere, welche nicht passen...

Und gibt es einen Ort, wo Du Dir gesagt hast: “Hier ist es!”?
- Noch nicht… oder vielleicht doch, vielleicht Rom…

Weil es alt ist?
- Ja… Ah, nein, es gab einen perfekten Ort! Aber wir haben nur eine kleine Sache rezitiert, es war am Festival di Busker, in Ferrara. Wir haben die wahre Lauda gemacht, das heisst, auf dem Boden, vor einer romanischen Kirche gespielt, also hier... auch wenn die Leute das nicht gesehen haben... aber dort war es die Perfektion von dem, was eine Lauda ist...

Du hast “Francesco” vom Norden in den Süden gebracht. Hast Du eine unterschiedliche Aufnahme in den verschiedenen Regionen Italiens bemerkt?
- Nein. Ich habe bemerkt, dass das Publikum - nicht wirklich ein “Theater”-Publikum – stärker ist, viel wärmer. Hingegen, wenn Du eine Woche bleibst, wie wir es in Turin gemacht haben, in einem typischen theatralischen Kontext, hat es viel mehr... Du langweilst Dich ein bisschen… Wir haben in Trani vor dieser mittelalterlichen Kirche gespielt, da waren mehr als 10'000 Leute und auch Jugendliche, welche diese Sache als Fabel anschauten und es war wunderbar. In Turin, da war es eher wie im Theater.

Bringt Dich die Tatsache, eine Figur wie Franziskus von Assisi zu vertreten, in eine neue Beziehung zu Deinem Publikum?
- Nein, ich beginne die Vorführung, indem ich mich vorstelle: “Ich bin der Minnesänger”, offensichtlich also... Ich finde, dass es ein weiterer Schritt in dieselbe Richtung ist, das heisst, die Leute werden dadurch nicht durcheinander gebracht, es ist total normal, dass ich dies mache.

Hast Du die Absicht, Dein Werk in andere Sprachen zu übersetzen?
- Ja, auf deutsch sicher. Man muss dazu sagen, dass die Leute, welche seit mehr als 20 Jahren in Deutschland für mich arbeiten, gekommen sind, um sich die Sache anzusehen. Sie haben gesagt, dass eine solche Sache in Deutschland sehr gut funktionieren könnte. Also, zum heutigen Zeitpunkt weiss man noch nicht, ob wir es auf italienisch machen mit Untertiteln an einigen Stellen oder, da ich deutsch spreche, könnte ich es machen, es bräuchte einfach noch drei junge deutsche Schauspieler. Dies ist noch nicht entschieden. Aber wir haben vor, dies ist sicher, mit ungefähr 20 Vorstellungen nach Deutschland zu gehen.

Und französich, englisch?
- Zur Zeit nicht, nein. Zur Zeit…

Wiegt die konstante Arbeit, welche ein Werk wie dieses über die Figur eines Heiligen verlangt - so bewundernswert er auch sein mag - moralisch und mental nicht schwer für einen Agnostiker?
- Nein. Man geht das Risiko ein, aber die Musik ist immer etwas Spirituelles in dem Sinne, dass immer ein Konzept von „Jenseits“ in der Musik enthalten ist. Also ist sie eine Sache, die man jenseits der geschlossenen Tür sieht, jenseits der Mauer. Transzendenz ist typisch für die Musik. In diesem Fall ist es noch etwas anderes. Damit will ich sagen, dass auch ich glaubte, der heilige Franziskus wäre ein etwas Verrückter, der mit Tieren spricht... Doch wenn Du alle franziskanischen Schriften liest, das sind 1'500 Seiten, erkennst Du hingegen einen aussergewöhnlichen Mann, der schon vor 800 Jahren aussergewöhnliche Dinge erfand. Und hier ist wiederum nicht nur die Heiligkeit, sondern vor allem die Menschlichkeit so stark, dass ich in diesem Moment nicht wüsste, was ich anderes machen sollte.

Heisst das, dass diese Arbeit über das Leben eines Heiligen wie Franziskus von Assisi Dir etwas gebracht hat?
- Ja, absolut, auf der spirituellen Seite. Das heisst, dass Du Dir bewusst wirst, selbst wenn Du auf dem Weg, auf welchem Du gehst, viele Fehler machst und fällst, dass es einen Weg des Glaubens gibt, den Du vielleicht nicht gesehen hast, den ich nicht gesehen habe. Ich bin ein Sünder, doch sobald ich hierhin oder dorthin gehe, ist da ein Pfad, ein idealer Weg. Und dies habe ich durch die Geschichte von Franziskus entdeckt.


DIE MUSIKALISCHE ANNÄHERUNG

Was Deine musikalische Aktivitäten angeht, kannst Du uns etwas über Deine Projekte betreffend Futuro Antico IV sagen?
- Oh ja, Futuro Antico IV wird im April 2005 realisiert und deshalb, ich weiss es nicht genau, könnte sie im Mai herauskommen. Diesmal ist das Album der Musik des Karnevals von Venedig gewidmet. Und es wird ein Konzert auf der Piazza San Marco geben am Tag der Festa del Redentore. Es ist das grösste venezianische Fest, am 18. Juli.

Ist Futuro Antico für Dich das Mittel, Deine Leidenschaft für Geschichte und Deine klassische Ausbildung zusammen zu konzentrieren? Welches ist Deine wirkliche Motivation?
- Für mich ist es wie eine andere Karriere. Ich habe dies nie am Konservatorium studiert, weil man dies nicht machte, man hat beim Barock angefangen... aber dann, von dem Moment an, als ich nicht mehr hin ging, einige Jahre nachdem ich das Diplom erhalten hatte, nach dem Konservatorium... gut, offensichtlich bin ich kein richtiger Musikwissenschaftler. Das Mädchen, welches mit mir musiziert, Francesca Torelli, ist eine wahre Musikwissenschaftlerin. Ich gehe also mit einem kindlichen Geschmack hin, ein wenig wie ein Tourist, im Sinne von: „darum kümmere ich mich nicht, es gefällt mir“. Sie hingegen ist sehr philologisch und sehr präzise und ich glaube, dass es beide Dinge gleichzeitig braucht: Die philologische Präzision, um vor allem das Resultat auf jedem Niveau und aus jeder Sichtweise zu betrachten und etwas anderes von meiner Seite. Den Leuten würde es nicht gefallen, wenn es eine Sache wäre, so wie es alle anderen machen, dann hätte es nichts zu sagen.

Während 30 Jahren sind Deine Musikalität und die aufgegriffenen Themen zusammenhängend geblieben, aber Deine Art, sie aufzunehmen und dem Publikum wiederzugeben, hat sich geändert. Von einer mehr „eigenwilligen“ zu einer mehr realistischen Annäherung an diese Themen. Wirst Du mit der Zeit fähig werden, Dich dunkleren Annäherungen zuzuwenden?
- Ich weiss nicht, ich bin mir dessen nicht bewusst. Ich hoffe, ich weiss, dass es eine Evolution gegeben hat, sicher hat es keine Revolution gegeben. Ich hoffe, es hat keinen Rückschritt gegeben. Aber ich bin mir dessen nicht bewusst. Wenn ich auf der Bühne bin, dann bin ich einfach viel ruhiger, ich habe keine Angst, denn Angst führt natürlich zu Aggressivität, welche ich am Anfang meiner Karriere hatte... all dies existiert nicht mehr, es ist vielmehr ein ironischer Geist, eine grosse aber heitere Melancholie mit einem Geschmack, der mit dem Alter kommt.


DER MANN UND DER KÜNSTLER

Welches ist das auslösende Element Deiner Begeisterung für etwas Neues?
- Es ist ein kindlicher Geschmack, doch dessen bin ich mir ebenso wenig bewusst. Es ist der ein kleinwenig perverse Geschmack eines Kindes, das eine Konfitüre sieht, die es nie gestohlen hat, die es nie probiert hat. Das ist es, was mich antreibt. Wenn ich das nicht spüre, verliere ich das Interesse vollkommen.

Hat sich dieses Element während den 30 Jahren Deiner Karriere verändert?
- Nein, es ist immer so geblieben. Natürlich ist es etwas schwierig, nach 30 Jahren Dinge zu finden, die Du noch nie gemacht hast. Aber der Geschmack ist noch genau der gleiche.

Deine Karriere hat Dir als Künstler grosse Befriedigung gebracht. Musstest Du einen Preis dafür zahlen?
- Ich hatte einen hohen Preis zu zahlen… Das Talent bringt Dich dazu, einen Preis zu zahlen… Das ist normal. Mein Professor sagte es mir, als ich klein war... Das Talent lässt Dich etwas zahlen. Manchmal etwas sehr teures... Das ist normal, weil das Talent eine Art Hypersensibilität ist, welche Dich von Zeit zu Zeit krank macht, welche Dich von Zeit zu Zeit komplett schutzlos macht. Und diese Überempfindlichkeit kann Probleme schaffen. Die Musiker, die Künstler, ich kenne viele, sind alle so. Es ist immer wie „borderline“, Leute, welche auf dem Grat gehen und der Preis, den Du zahlst ist, dass Du manchmal auf die andere Seite fällst.

Du hast einen Beruf, der sehr stark der Kritik ausgesetzt ist. Bist Du ein Mann, der die Kritiken akzeptiert um sich weiter zu entwickeln oder, im Gegenteil, ignorierst Du sie und gehst den Weg weiter, den Du eingeschlagen hast?
- Ich würde sagen, dass ich sie lese und von Zeit zu Zeit finde ich interessante Fakten. Zum Beispiel, was der „Corriere della Sera“ nach meiner ersten Vorstellung in Mailand geschrieben hatte, war absolut richtig und wahr. Und deshalb habe ich zu ändern begonnen. Aber ich muss sagen, das kommt sehr selten vor. Normalerweise finde ich nichts Interessantes. Ich lese Dinge, die ich bereits weiss, die ich selbst so entschieden habe.

Wenn eine Leidenschaft Arbeit wird oder wenn die Arbeit Leidenschaft wird, beeinflusst dies zwangsläufig die Persönlichkeit. Welchen Einfluss war der wichtigste bei Branduardi? Jener des Mannes auf den Künstler oder der des Künstlers auf den Mann?
- Mann und Künstler sind nicht dasselbe… Es kommt darauf an… Ich würde sagen mehr der Künstler, aber das ist sehr schwer zu sagen, weil beide sehr oft komplett verschieden sind. Das heisst, wenn Du ein unruhiger Mann bist, machst Du ruhige Musik, weil Du die Ruhe suchst. So sind viele „böse“ Rocker sehr ruhige Leute, weil dies das pure Gegenteil ist.

Nach 30 Jahren Karriere ist es da leicht, das Gleichgewicht zwischen Leidenschaft und Broterwerb zu halten?
- Man muss einen Kompromiss finden… Also, wenn Du grossen Erfolg gehabt hast, 30 Jahre und sogar länger, wirst Du Dir bewusst, dass Du eine kleine Nische finden musst. Klein oder gross, aber Du musst wissen, dass Du nicht immer eine grössere Menge machen kannst, so ist das Gesetz im Show-Business. Und Du musst alle Dinge auf einmal managen. Am Anfang benötigst Du eine Anzahl Leute, eine grosse Anzahl, um nachher die Möglichkeit zu haben, zu sagen, ich würde nicht sagen, es ist Dir Schnuppe, aber doch beinahe. Die grosse Anzahl der Leute, die Du am Anfang gewonnen hast, das sind Leute, die, wenn sie an Dich glauben, mit Dir wachsen werden. Und Du hast nichts zu befürchten. Hingegen, wenn Du das Roulettespiel machst, was viele Leute, die ich kenne, oft machen, wirfst Du die Kugel und man verzweifelt, in diese neue Katastrophe zu gehen, die man nicht bewältigen kann.

Etienne Roda-Gil hat gesagt, dass man seine Inspiration in seinen Kindheitsgefühlen findet. Und bei Dir, was ist von Deinen Kindheitsgefühlen geblieben in Bezug auf die Welt im allgemeinen?
- Alles. Einerseits finde ich, dass ich sehr, sehr alt bin, viel älter als mein Alter, andererseits finde ich, dass ich sehr, sehr jung bin. Das sind zwei Dinge auf einmal. Ich bin ein 500 Jahre altes Kind.

Ist Dein Alter Synonym von Bereicherung, oder im Gegenteil, hast Du Angst vor dem Älterwerden?
- Nein, das gefällt mir viel besser. Ich fühle mich viel wohler in meiner Haut als früher. Weil viele Ängste und Probleme, die ich vor allem in meiner Jugendzeit, meiner Kindheit hatte, diese habe ich nun nicht mehr. Doch es ist viel mehr, ich würde es eine heitere Melancholie nennen, was ich heute habe. Vorher war es Wut, viel weniger heiter, ich war zu verärgert.

Ist das Leben eine Therapie? - Die Kunst ist eine Therapie. Und die Jahre, die ich auf meinen Schultern habe, vor allem die letzten, waren eine Therapie, weil ich so viele Dinge entdeckt habe.

2004, 30 Jahre Karriere, 19 Alben, ohne jene zu zählen in anderen Sprachen, die Filmmusik, die fantastische Arbeiten zusammen mit anderen Musikern, kurz, eine reich gefüllte Karriere. Hast Du während dieser 30 Jahre Deine künstlerischen Träume realisieren können? Welches sind Deine Träume für die nächsten 30 Jahre?
- Da ist EIN grosser Traum. Das wird nur ein Traum bleiben, aber er hilft mir zu leben. Das, was ich gerne in meinem Leben gemacht hätte, wäre Dirigent zu sein. Ich dirigiere von Zeit zu Zeit die Saiten, wenn ich eine Platte mache, aber das hätte ich wirklich gerne gemacht... vielleicht, eines Tages...

© Elise Valere     www.angelo-branduardi.com

Übersetzung: Monika Wegener