|
---|
|
Angelo Branduardi – Interview vom 30. April 2009, Konzerthaus, Freiburg im Breisgau
Angelo: Vielleicht ist es am besten auf Französisch, damit es alle verstehen. Wie Du willst!
Claude: Ich möchte Dir offiziell sagen, dass wir Dir danken, dass Du Dir Zeit für uns genommen hast, das ist
sympathisch, diese 10 Minuten. Du weisst schon, dass alles, was wir hier sagen, ist, wie wenn wir in einen
grossen Lautsprecher sprechen würden...
Angelo: Ah, gut!
Also, das ist ein Glück, dass Dein Toningenieur von damals diese Tonaufnahmen wieder gefunden hat...
Das ist eine komische Sache. Weil ich, an jenem Konzert, 15 Jahre bevor der Begriff "unplugged" in Mode kam,
ich das den Leuten präsentiert hatte, total akustisch, und ich kann sagen, dass ich der Erste war, der das gemacht hat.
Das wissen wir sehr gut.
Die Leute schauten, waren perplex!
Ich möchte Dir unser Feedback der Jahre danach geben, wir waren damals wirklich intensive Fans und wir
kamen aus einer Serie von Konzerten wie CERCANDO L’ORO. Das waren wichtige Konzerte, weisst Du... Als wir in den
Palais de la Musique gekommen sind, haben wir zuerst gedacht, dass Du krank wärst oder dass etwas Abnormales wäre.
Erst nach dem Konzert haben wir die Schönheit dieses Konzerts realisiert. Das war zuerst ein etwas komisches Konzert,
aber im Moment von IL VIOLINISTA DI DOONEY, war da wieder diese Begeisterung. Alle Leute sind aufgestanden, es war
unglaublich. Nachher hat sich alles wieder beruhigt.
Das war etwas, das ich beabsichtigt hatte.
Ja, aber erst nachher haben wir diese Absicht verstanden. Und das war total modern und unglaublich. Heute, wenn man
genau schaut, findet man viele Künstler, die das machen.
Es war Franco Finetti, er war der Toningenieur, der die Aufnahmen in seinem Archiv gefunden hat, Kassetten. Und er
hat mich angerufen und gesagt: "Hör mal, Du warst 15 Jahre voraus". Ich habe sie mir angehört und das einzige, was
wir wegnehmen mussten, war das Rauschen des Bandes.
Tonbandkassetten!!! Unglaublich!
Zwei Kassetten.
In jener Zeit, Angelo, habe ich das Konzert als Pirat auf Kassette aufgenommen, aber in sehr schlechter Qualität und
ich habe mir das während Jahren immer und immer wieder angehört...
Aber hier, das waren Kassetten, welche direkt vom Master stammten, also in guter Qualität.
Das war ein herrliches Geschenk für Ostern, siehst Du, wir waren wirklich alle glücklich darüber.
Und ich, als ich es das erste mal gehört habe, liess es mich an die Zeit denken, die vergeht.
Das Wort "unplugged" wurde erst 15 Jahre später laufend verwendet.
Du warst absolut modern.
Das ist mir mehrmals passiert, dass ich der Zeit voraus war, sogar LA LUNA war der Zeit voraus.
Ja, das wissen wir.
LA LUNA, das ist New Age!
LA LUNA 1974?
Ja, manchmal war ich auch der Zeit hinterher, ich bin ein unruhiger Mensch... Das kann sein, das kann nicht sein,
ich suche mich immer während dieser langen Karriere.
Ich sage es jeden Abend, ich habe das Paradies und die Hölle gesehen. Das ist nicht einfach für einen Mann wie mich,
ein normales Leben zu leben. Es ist nicht einfach für die Leute, die mit mir leben, mir zu folgen. Das gebe ich zu.
Es ist offensichtlich, ein unruhiger Mensch, der in seinem Alter einen Weg sucht. Ich habe immer gesucht und bin immer noch
auf der Suche...
Weisst Du, wir, in der Zeit als "Fans", wir konnten nicht von Dir lassen. Du veränderst Dich immer, Du machst
neue Sachen, Du entwickelst Dich weiter, es ist unmöglich, Dich in eine Schublade einzuordnen. Wir entwickeln uns weiter
mit Dir.
Es ist mehr eine Atmosphäre, die ich für die Platte gesucht habe, etwas das zu den drei neuen Liedern passt.
Ich habe Lieder weggelassen, die sich gut für Konzerte geeignet haben, aber nicht für die Platte (IL VIOLINISTA DI DOONEY
zum Beispiel), zu starke Lieder, welche die neuen in den Schatten gestellt hätten. Also habe ich mehr auf die
Atmosphäre geachtet. Es ist wenigstens die gleiche Atmosphäre wie die drei neuen Lieder, von der Seite des Orchesters
und dem Comeback von Maurizio Fabrizio.
Ja, wir freuen uns über diese drei neuen Lieder. Wie war das für Dich, wieder mit Maurizio zusammen zu arbeiten?
Das war wunderbar.
Monika: Und wird das weitergehen?
Absolut. Weisst Du, als wir uns wieder gesehen haben - und das ist keine Rhetorik - in Rom, mitten auf der Strasse,
die Leute mussten glauben, wir seien verrückt! Wir haben uns während langen Minuten umarmt. Und mir wurde warm ums Herz.
Claude: Angelo, vor Jahren haben wir Dich gefragt, wann Du die Zusammenarbeit mit Maurizio wieder aufnimmst und Du hast
gesagt, dass er keine Zeit hat, dass er damals mit anderen Dingen beschäftigt war.
Er hat endlich wieder Zeit und er wird immer Zeit für mich haben...
Oh, das ist toll. Eine gute Nachricht für uns, auf jeden Fall!
Und der Klang von unseren Instrumenten wieder zusammen, das wird verrückt werden.
Die Polyphonie der Gitarren auf "Branduardi"-Art...
Und durch Zeichen. Er und ich, wir machen das (sich Zeichen geben), in diesem Moment ist es als wären wir
Marsmenschen, wir verstehen uns sofort. Jeder weiss sofort, was der andere machen wird.
Etwas, das sehr schön ist auf SENZA SPINA ist LA LUNA mit Euren Gitarren. Die beiden Gitarren, die von Maurizio
und Deine, das ist wunderschön, im perfekten Akkord, grosse Musik.
Ja!
Monika: Deine Fans aus Frankreich warten schon seit Jahren auf Dich.
Claude: Die Frage, die uns auf der Zunge brennt, Achtung! Du hast uns gesagt, dass Du auf Frankreich-Tournée gehen wirst.
Wo ist sie, diese Tournée in Frankreich???
Nein, nein. Es gibt und es gab und es gibt immer noch Probleme. Diese Probleme existieren auch heute noch.
Für die Konzerte ist alles bereit, aber wegen lächerlicher Fragen, welche ich Euch nicht sagen kann, konnte sich das
noch nicht konkretisieren.
Weisst Du, wenn Du das Publikum in Frankreich erreichen willst, hat es Sendungen im Fernsehen, wo Du Dich unbedingt
sehen lassen musst, wie z.B: "Le Grand Journal" auf Canal +.
Für Frankreich ist alles bereit. Zur Zeit ist es auch ein Witz, eine idiotische Sache, aber wir werden sie lösen!
Wenn Du ein Konzert in Frankreich machen wirst, dann hat es viele Leute, die sich freuen werden. Auf Youtube haben wir Deine
alten Konzerte, Ausschnitte aus Fernsehsendungen wie "Le grand échiquier" usw. veröffentlicht. Es wurden so viele
Kommentare dazu geschrieben, seitenweise Kommentare von Leuten, die sich bedanken, dass sie diese Momente wieder
erleben können. Sie warten, sie erwarten etwas von Dir.
Und ich, ich warte auch. Ich war sicher, wir würden diese Konzerte im Frühling oder letzten Herbst machen, davon
war ich überzeugt... Aber ich habe noch andere Dinge zu machen: z.B. ein FUTURO ANTICO VI, welches im Juni zum Fest von
Johannes erscheinen wird. Das ist ganz historisch und daran hat niemand mehr gedacht während der letzten 100 Jahre.
Ich werde also diese Melodien in ihrem ganzen Glanz wieder aufleben lassen
Das ist super!
Das wird FUTURO ANTICO VI und das mache ich anfangs Juni. Dann an einem Tag ein Konzert und dann eine Tournée mit
einem ganz anderen Programm.
Das ist klar.
Du kannst gut im Internet schreiben, dass das ein Problem ist, das nicht durch mich verursacht wurde/nicht wegen mir.
OK.
Und dass ich hoffe, dass es sich lösen wird, wir wären bereit zu kommen.
Monika: Schade.
Claude: Ja, das ist schade.
Ja, das wäre gut, denn ich werde ja 60 Jahre alt!!!
Monika: Ich glaube, Michelangelo hat es Dir schon gesagt, dass wir ein Treffen mit Dir machen möchten.
Das würde mich freuen, denn ich werde 60 Jahre alt. Das wäre doch ein schönes Fest!!!
Monika: Könntest Du uns einen Anhaltspunkt zum "Wie" und "Wann" geben?
Es ist besser, wenn Ihr das macht! Gebt mir Eure Vorschlage, Eure Daten und wir werden etwas abmachen.
Ich weiss nichts im Moment, wo wir Konzerte geben werden, ob wir nach Paris gehen werden, ich kann es Euch nicht sagen.
Aber wenn Ihr konkrete Vorschläge habt, schickt mir Eure Daten, dann ist es viel einfacher, das zu machen.
Claude: Ja, anlässlich eines Konzerts oder so, siehst Du? Was meinst Du?
Ja, sogar auf französisch!
Monika: Es werden auch Fans kommen, die noch nie an einem Deiner Konzerte waren, z.B. aus Florida und aus vielen
anderen Ländern der Welt. Das wäre toll, wenn man so etwas machen könnte.
Ich bitte Euch, das zu machen. Wie ich Dir gesagt haben, werde ich 60 Jahre alt. Ich feiere meinen Geburtstag nie,
aber nächstes Jahr werden es 54 Jahre sein, seit ich Geige spiele...
Claude: Wow!
Die erste professionelle Sache, die ich machte, war mit 16 Jahren: ich spielte zwei Jahre in einem Orchester
von Capo Felice. Als wir nach Mailand gekommen sind, ich weiss auch nicht wie, bin ich Sparte der "Session Men" gekommen.
Ich weiss nicht, wie man das auf französisch sagt. Diese Leute, die für andere spielen...
Ja.
Ich habe das auf sehr hohem Niveau gemacht, bevor ich zu singen anfing, das hätte ich auch gar nie gemacht.
Ich sagte immer, ich hasse die Sänger! Ganz offen, ich liebe Verdi nicht. Ich sage es auch heute Abend am Konzert und
betreffend "O SOLE MIO": Warum müssen diese Tenöre unsere Ohren immer so malträtieren, es handelt sich doch um ein
wehmütiges Lied? Niemand weiss das, aber dieses Lied wurde in Russland geschrieben.
Ja, wir haben das auch gehört. Es gab bei uns eine Fernsehsendung über Neapel, da haben sie die Herkunft dieses Liedes
erklärt.
Es ist ein Liebeslied, ein Lied voller Sehnsucht und Liebe gleichzeitig. Das kannst Du doch nicht herausschreien,
wie es die Tenöre machen. Ich bin vielleicht sogar zu sanft. Es ist ein Lied voller Sehnsucht und Liebe...
Wir haben es ja wieder gehört auf SENZA SPINA.
Ah ja, das stimmt, da ist es drauf. Aber ohne Maurizio. An den nächsten Konzerten wird es Überraschungen geben...
Monika: Das wäre wunderbar.
Claude: Das Schlimmste für uns ist, dass wir uns sagen: "eines Tages wird Angelo aufhören".
Nein, weil ich immer noch Lust habe zu spielen. Ich spiele nun schon 55 Jahre. Ich merke, wenn ich zuhause bin,
nach einer Woche beginnt es, mir zu fehlen. Ich spiele täglich eine Stunde Geige, auf meiner Steiner.
Nach einer Woche, meine Töchter sind ausgezogen, nach einer Woche beginnt es mir in den Beinen zu kribbeln.
Monika: Aber Du hast doch keine Zeit mehr.
Claude: Wir lassen Dich gehen, Du hast doch immer viel zu tun.
Ja, aber ich habe noch 5 Minuten Zeit.
Monika: Du hast keine Autogramm-Karten. Wie sollen wir das machen?
Claude: Hast Du keine offiziellen Autogramm-Karten?
Doch, haben wir!!! Sie sind schon im Konzertsaal.
Wir haben so viele Sachen, dass wir gar nicht wissen, was wir Dich noch fragen sollen (alle lachen)!
Ich habe ein Interview um 16 Uhr.
Dann lassen wir Dich gehen.
Nein, es ist ein Interview per Telefon, für Zürich. Das geht gut.
Monika: Ah, für Zürich ? Für das Radio?
Gianluca weiss es, ich weiss nie etwas. Man bringt mich hin, man gibt mir das Tour-Book und das erste, was ich mache,
ich verliere es. So ist das, ich verliere es, und ich habe nie Informationen, erst einen Tag vorher. Sie wissen,
dass ich so bin...
Deshalb ist es gut, dass Dir ein Team zu Seite steht.
Das ist wie meine Frau, wenn sie irgend etwas kauft, z.B. eine Waschmaschine oder so, das erste, was sie macht: sie
nimmt die Gebrauchsanweisung und schmeisst sie weg.
Und warum?
Meine Frau ist so. Weil all diese Anleitungen sind unnötig lang und technisch.
Das ist unglaublich, ich schreibe selber Gebrauchsanweisungen und die Leute lesen sie nicht!
Also jetzt sind wir total frustriert...
Wenn ich manchmal etwas für mein Studio kaufe, steht da z.B. in der Gebrauchsanweisung: "Wenn Sie den Finger
in die Steckdose halten, werden sie sterben, usw.". Also, Du kannst doch nicht all das lesen...
Eine letzte Frage: Surfst Du selber im Internet oder macht das Dein Team?
Das ganze Team und ich auch.
Du auch?
Vor allem meine Töchter. Ich habe erst kürzlich damit begonnen. Vor allem Sarah.
Und hast Du gesehen, was wir gemacht haben?
Ja, ja. Ich danke Euch allen dafür, das ist die Zukunft. Das ist schon die Zukunft.
Ich wollte Dir z.B. erklären, dass wir all die Videos von 1981, 1982 usw. digitalisiert und auf Youtube veröffentlicht
haben. Das sind Dinge, welche sich die Leute anschauen, sogar die Jungen, die Zwanzigjährigen...
Es hat sogar den Zeichentrickfilm, den ich mit Lele Luzzati gemacht habe...
IL LIBRO ?
(zu Gianluca) IL LIBRO ist eine wunderschöne Sache, ein Zeichentrickfilm, ein Kurzfilm vom berühmten Lele Luzzati,
mit meiner Musik.
1983 hast Du in einer Fernsehsendung etwas Fantastisches gemacht, mit kleinen Kaminfegern aus der Auvergne, die im
Rhythmus von TOUT L'OR DU MONDE marschierten.
Ja, genau! Mit Étienne.
Ja.
Das war Étienne's Idee.
Es gab auch das berühmte Interview vom französischen Fernsehen bei Dir zuhause.
Aha
Wo Du gesagt hast: «In Frankreich könnt Ihr mich nicht lieben, wenn ich Euch nicht fehle» oder einen ähnlichen Unsinn...
Sagt mir eine Sache, die für mich sehr traurig ist, weil man manchmal meint, man hat Freunde. Was ist mit
Étienne Roda-Gil passiert, woran ist er gestorben?
Er starb an einem Hirn- oder Herzschlag.
Ah.
Dann, einige Jahre nach dem Tod von Étienne Roda-Gil, wurde ihm eine Spezialsendung im französischen Fernsehen gewidmet.
Viele Künstler waren anwesend, für welche er gearbeitet hat. Wir dachten, Du wärst auch dort, ich hatte die Sendung
aufgenommen, aber Du warst nicht da.
Niemand hat mich informiert, niemand hat mich eingeladen.
Das Problem des Showbiz in Frankreich, es ist eine "Mafia", ein Zirkel wo man Beziehungen braucht, um hinein zu kommen.
Ich war deswegen wirklich traurig, weil niemand es für nötig erachtet hat, mich anzurufen. Es gibt Leute, deren
Namen ich nicht nenne, die mich hätten anrufen sollen.
Wir haben uns gefragt, ob Du es gewusst hast...
Nein, ich erfuhr es per Zufall in Belgien, eine Woche später. Ich war erschüttert, wie alle. Diese Frau in Belgien,
eine gute Freundin als ich viele Platten in Frankreich verkaufte, sie hatte meine Telefonnummer. Sie war auch
eine sehr gute Freundin von Étienne, sie hätte...
Ich habe einen Artikel, den Étienne Roda-Gil 1983 über Dich geschrieben hatte. Er schreibt, Du wärst fantastisch,
grosszügig und dass er wirklich froh war, mit Dir zu Arbeiten. Es ist ein absolut toller Bericht.
Ich ohne ihn, das ist etwas anderes als Maurizio, aber ohne ihn ist es nicht mehr gleich.
Hör mal, wenn Du diesen Artikel möchtest, werde ich ihn Dir senden. Es ist wirklich ein sympathischer Artikel, Étienne
schätzte Dich wirklich sehr.
Danke für diesen schönen Nachmittag, oder wie man auch sagen könnte: für diese Plauderstunde.
Übersetzung: Monika Wegener
|
---|
|
---|